Galerie

Architektur in Beton

Werkbeschreibung

Ein Kreuz aus Licht, Ausstellung im Studio Kausch, Kassel

Entstehungsjahr: 1998

Objektbeschreibung

Ideenbeschreibung: Das Objekt „Architektur in Beton” würde ich gerne als Bauwerk umsetzen. In diesem Falle würde sich tagsüber der Lichteffekt am Boden des Innenhofes als Kreuz zeigen, und des Nachts würde ein Scheinwerfer das entsprechende Gegenstück dazu liefern. Obwohl die Sonne wahrscheinlich die meiste Zeit den Innenhof mit ihren Strahlen erreichen wird, so wäre doch im Sommer an einem bestimmten Ort um eine bestimmte Uhrzeit das Lichtkreuz der Sonne am stärksten. Der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang würde bei einer exakten Ausrichtung der Eingänge nach Osten, Westen, Norden und Süden dem Bauwerk eine besondere Atmosphäre verleihen. Die nächtliche „Befeuerung” würde in jedem Falle das Bauwerk als solches deutlich aus der Nacht hervortreten lassen, bei schlechtem Wetter mit tiefen Wolken würde sich das Kreuz an den Wolken wieder finden. Die Skulptur sowie das Bauwerk haben die Besonderheit, daß der Schwerpunkt eines Segmentes nicht über der Standfuge liegt, so dass das Gewicht mit Hilfe eines Stahlseiles (welches im Bauwerk im Innenhof teilweise sichtbar wird) auf die Standfläche „gezogen” wird. Das bedeutet für den Menschen im Innenhof, dass seine Sicherheit direkt von den Stahlseilen abhängig ist. Der Innenraum als solcher gleicht in etwa der Form einer Glocke, wodurch eine besondere Akustik hervorgerufen wird. Mein Wunsch ist es, einmal im diesem Bauwerk einem Konzert beizuwohnen. Natürlich ist die Skulptur aber ebenso für sich selbst gültig und aussagekräftig; ich glaube sie (sowie das gedachte Bauwerk) ist in der Lage den Menschen „Spiritualität” näher zu bringen. Auch für sie wünsche ich mir einen eigenen Raum.

Rezension - aus "Anstöße" - Juni 1999 Meditation Ein Kreuz aus Licht Seit dem Osterfest schmückt ein eigentümliches Objekt die Kapelle der Akademie: Da steht an exponierter Stelle gleich gegenüber zum Eingang ein ungefähr 40 cm hoher Betonsockel, der in seiner äußeren Formgebung entfernt an eine Glocke erinnert, die durch zwei durchgehende Schnitte in vier einzelne Teile zergliedert worden ist. Bei näherem Betrachten ist dann zu erkennen, dass der Innenraum weitgehend hohl ist und die vier Teile nur durch dünne Drahtseile gehalten und daran gehindert werden, in sich zusammenzufallen. Ein sensibles Gebilde, das nach außen vielleicht ein wenig grobschlächtig wirkt, aber mit einer Besonderheit aufzuwarten hat. Denn wenn im Inneren eine Kerze entzündet wird, fallen die Lichtstrahlen so aus dem steinernen Sockel, dass sich an der Wölbung der Kapellenwand ein Kreuz abzeichnet. Nicht sehr stark ist dieses "Lichtkreuz", man muss schon genau hinsehen oder den Raum abdunkeln, aber gerade das macht den Reiz des Objektes aus. Das Kreuz gilt als das tragende und alles entscheidende Symbol der Christen. Wie selbstverständlich ordnet es sich in den Innenraum einer Kirche oder Kapelle ein, aber gerade diese vermeintliche Selbstverständlichkeit ist es, durch die das Kreuz häufig gar nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Wie anders sind da die Erfahrungen mit dem Lichtkreuz: Man muss sich selbst erst einmal aufnahmefähig machen, um es wahrzunehmen. Erst allmählich gewöhnen sich die Augen an den lichten Schein des Kreuzes, und entdecken, dass es wirklich vorhanden ist, obwohl man es doch nicht fassen kann. Direkter Ausdruck der Transzendenz, der es unseren verwöhnten Augen nicht leicht macht, denn schnell verschwindet es auch wieder, wenn sich etwa eine Person davor stellt, oder der Hintergrund zu weit abrückt. Das Lichtkreuz ist ein Kreuz, das nur als Reflex existiert und nur unter besonderen Bedingungen sichtbar wird. Dafür die Bereitschaft herzustellen ist eine der Funktionen unserer Kapelle, für die das Lichtkreuz deshalb eine wirkliche Bereicherung abgibt. Dabei hatte sich der Bildhauer Florian Soldner das alles ganz anders vorgestellt: Das Objekt, das er in unserer Kapelle präsentiert, ist lediglich das stark verkleinerte Modell für eine "Architektur in Beton" - für ein Bauwerk also, in das die Betrachtenden selbst hineingehen sollen, um dort drinnen zu entdecken, wie sich über die Einschnitte in den Betonflächen Lichteffekte ergeben, die am Boden des Raumes ein Kreuz zeichnen. Eine exakte Ausrichtung der vier Eingänge in die Himmelsrichtungen würde überdies besondere Lichteffekte für den Aufgang und Untergang der Sonne ergeben, und des Nachts sollte dann im Inneren ein Licht entfacht werden, das weithin nach Außen strahlt. Die Idee des Bildhauers, mit der das Licht des Evangeliums direkt in die Architektur kirchlicher Gebäude übernommen wird, hat in der Tat eine lange Tradition: Schon für die „Mutter aller Kirchen", die im 3.Jahrhundert in Jerusalem gebaute Grabeskirche, gehörte das Prinzip eines nach innen und außen strahlenden Lichts zur architektonischen Grundkonzeption. Ein Laternenaufsatz war es dort, der auf die Kuppel gesetzt wurde und tagsüber das Licht hinein und abends hinaus ließ. Wie ein hell leuchtender Stern sollte die über das Grab Christi gebaute Kirche nach den Vorstellungen Kaiser Konstantins weithin in den Abendhimmel strahlen und damit Zeugnis ablegen von der Hoffnung, die über den Tod und das Dunkel hinaus reicht. Aber noch in einer ganz anderen Hinsicht schließt der aus Beton gefertigte Sockel in unserer Kapelle an die alte Tradition der Grabeskirche an. Auf den ersten Blick mag er nämlich an einen Omphalos erinnern, wie er in der griechischen Kultur als „Nabel der Welt" geläufig war. Auch in Jerusalem wurde zur Zeit der römischen Besatzung in der Aelia Capitolina ein solcher Omphalos am Endpunkt des Cardo gezeigt. Die Bauleute Konstantins verlegten diesen Steinsockel dann in den Bau der Grabeskirche, wo er bis heute zu sehen ist, um zu zeigen, wo ihrer Meinung nach der rechte "Nabel der Welt" zu suchen sei, nämlich an der Stelle der Grablegung und Auferstehung Christi. Für die Evangelische Akademie Hofgeismar mag der Steinsockel in diesem übertragenen Sinne ebenfalls den - allerdings unausgesprochenen - Hinweis auf einen „Nabel" darstellen. Und zwar im Sinne eines Zentrums, auf das sich nicht nur die zur Andacht versammelte Gemeinde bezieht, sondern unsere Arbeit insgesamt. Man muss nur - wie bei dem Lichtkreuz - genau hinsehen. Matthias Viertel ANSTÖSSE 2, Juni 1999

Ergänzende Bilder

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